Kathmandu
Nach 3 Wochen Annapurna-Region hat uns Kathmandu wieder. Unfreiwillig! Wir müssen unser Indien-Visum beantragen. Das soll bis zu sieben Tage in Anspruch nehmen und kann nur in der Hauptstadt ausgestellt werden. Reisende, die gerade aus Indien kommen, berichten uns, wie vergleichsweise entspannend es in Kathmandu zugeht. Also versuchen wir unser Zwangs-Verweilen positiv zu sehen und „genießen“ die Ruhe vor dem Sturm.
Wir vertreiben uns die Zeit u.a. mit Botschaften-Hopping. Am Montag morgen beginnen wir mit der indischen Botschaft und lassen uns auf ein nicht enden wollendes Geduldsspiel ein. Vor dem Eingangstor müssen wir uns anstellen, anschließend innen eine Nummer ziehen, warten bis diese aufgerufen wird, Formulare ausfüllen und wieder warten, damit wir dann das Datum unserer Wiederkehr erfahren.
Weil die Inder nicht aus dem Knick kommen, müssen wir unsere nepalesische Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen. Also geht es quer durch Kathmandu zur nepalesischen Botschaft. Die Prozedur gleicht der vorherigen, mit dem Unterschied, dass wir das Visum noch am gleichen Tag ausgestellt bekommen. Abholen können wir es aber erst 5 Stunden später, weil wir die „Beschleunigungsgebühr“ nicht bezahlen wollen. Mittlerweile beschreiben wir den Taxifahrern den kürzesten Weg, so oft sind wir ihn schon gefahren.
Am darauffolgenden Tag in der deutschen Botschaft werden wir schneller durchgeschleust. Aufgrund der Sauberkeit und der deutschsprachigen Plakate fühlen wir uns gleich etwas heimelig. Es sollen nachgesandte Dokumente für uns bereit liegen, die aber leider nach einem Monat noch nicht eingetroffen sind.
In den Wartezeiten erkunden wir die teilweise sehr engen Gassen von Kathmandu zu Fuß. Von Stadtbummel oder gar Schlendern kann aber keine Rede sein. Als Fußgänger sind wir neben aggressiv hupenden Taxi- und Rikschafahrern die eindeutig schwächeren Verkehrsteilnehmer und müssen wachsam jederzeit Absprung bereit ausweichen können.
Ruhe finden wir an den vielen Tempeln, die überall in Kathmandu verteilt stehen. Sowohl Buddhismus, als auch Hinduismus treten hier bunt gemischt auf. Die heiligen Orte werden von beiden Religionen gemeinsam friedlich genutzt.
Eines Morgen starten wir bereits im Morgengrauen zum Durban Square, dem zentralen Tempel-platz. Wir klettern die Stufen zum höchst begehbaren Tempels empor und schauen von dort aus dem Erwachen der Stadt zu. Unter uns breiten die Händler ihre Waren auf Planen aus, die von Sherpas herangetragen wurden. Bei Sonnenaufgang ist der Durban Square bereits mit Menschen gefüllt und es herrscht eine großartige Atmosphäre. Von anderen Touristen ist weit und breit noch nichts zu sehen.
In einem benachbarten Tempel lebt Kumari, eine lebende Gottheit, die in einem Kind wiedergeboren wird. Als Touristenattraktion zeigt sich Kumari einige Male am Tag, die auf keinen Fall fotografiert werden darf. Uns erscheint eine gelangweilt dreinschauende, circa 5 Jahre alte Kumari, die hinter einem Gitterfenster emotionslos auf uns herabschaut. Kein Wunder, bei dem Steh-auf-und-zeig-dich-Spiel, dass sie Tag ein, Tag aus von neuem spielen darf.
Kumari´s verweilen bis zu ihrer ersten Periode in dem Tempel. Dann wird unter vielen Kindern, in einer fragwürdigen Prozedur, nach einer neuen gesucht. Um zu überprüfen, in welcher der möglichen Kandidatinnen die Gottheit steckt, werden die Mädels in einen dunklen Raum gebracht und fürchterlich erschreckt. Diejenige, die am ruhigsten bleibt, muss definitiv der Gott sein. Welcher Gott hat schon Angst?
Das Warten hat sich gelohnt. Am gleichen Tag können wir Martins internationalen Führerschein und unser Indien-Visum abholen.
Jetzt hält uns nichts mehr in Kathmandu. Trotz der Feiertage in Nepal ergattern wir für den nächsten Tag noch eineinhalb Sitzplätze in einem Touristenbus an die indische Grenze. Das heißt, einen richtigen Sitzplatz und einen Notsitz in der Fahrerkabine (Kabinenparty!!). Touristenbusse sind die angenehmsten, weil sie nicht bis zum Bersten vollgestopft sind. Es werden fast nur so viele Tickets verkauft, wie Plätze vorhanden sind. Dadurch hält der Bus auch nicht alle fünf Meter, um noch mehr Leute rein und darauf zu stopfen. Das Dach bietet ja schließlich auch noch Kapazitäten!
Bei unserer letzten „Lokal-Bus-Fahrt“ gab es Ärger mit der Polizei, da auf dem Dach verbotener Weise Leute saßen. Der Fahrer hatte die Warnung anderer Busfahrer übersehen. Für gewöhnlich werden die Dachreisenden dann kurzzeitig mit in den übervollen Bus gequetscht, um die Kontrollen zu passieren.
Nach 10 statt sechs Stunden kommen wir abends im nepalesischem Grenzdorf an und verbringen unsere erste Tihar Nacht. Tihar, das hinduistische Lichterfest dauert fünf Tage. Die Familie kommt zusammen, es gibt Geschenke und Kinder laufen als „Sternsinger“ von Tür zur Tür. Häuser und Straßen sind mit bunten Lichterketten geschmückt und es gibt Nüsse und Süßigkeiten-Schalen zu kaufen. Alles das erinnert uns sehr an Weihnachten. Allerdings ist es ganz und gar keine stille Nacht. Es werden Böller und Feuerwerke abgeschossen. Und das Land, das normalerweise 20Uhr seine Gehsteige hochklappt, scheint an diesen Tagen nicht schlafen zu wollen. Unsere stets griffbereiten Ohrstöpsel sichern uns trotz des wilden Treibens einen ruhigen Schlaf.
Zu Fuß überqueren wir am 06.11.2010 die indische Grenze und sind gespannt, was uns auf dem Subkontinent erwarten wird.