Via Baltika
Sie sind pünktlich, günstig und einen Wodka zum Abendessen gibt es gratis dazu. Für einen Spottpreis von 300 Euro bringt uns die Rusian Aeroflot nach Lettland, unser Gepäck auch.
Zerknittert, planlos und mit angeschwollenen Flug-Füßen stehen wir nach 17 Stunden Fliegerei um Mitternacht einer freundlichen Dame vom Flughafen Personal in Riga gegenüber. Diese rät uns, auf dem Flughafen zu übernachten, da der Transport in die Innenstadt um diese Uhrzeit und mit unserem ganzen (Sperr)-Gut schwierig sei.
Also beginnen wir mit der Teilprobe unserer neuen Campingausrüstung, jedoch indoor! Unter einer Treppe, gleich neben einem Kaffeeautomaten, richten wir uns ein nettes Nachtlager her, breiten unsere Matten und Schlafsäcke aus und bekommen tatsächlich eine ganze Mütze Schlaf ab. Kurzzeitig überlegen wir sogar, noch eine Nacht zu verlängern. Einen Wecker benötigen wir nicht, denn die Stöckelschuhe der ersten Flugpassagier-Innen klackern uns aus dem Schlaf. Nach zwei Stunden Räder-Aufbau geht es dann endlich los, auf Entdeckungstour durch Osteuropa (´s Supermärkte).
Die Altstadt von Riga gefällt uns sehr gut. Die schön restaurierten Gebäude im mittelalterlichen Stil, die gepflasterten Gassen, belebte Marktplätze und kleine einladende Restaurants und Bars mit Stühlen im Freien, dass alles haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Europa endlich wieder zum Anfassen, wir fühlen uns schon fast wie zuhause.
Nach zwei Tagen in Riga satteln wir im wahrsten Sinne des Wortes unsere Räder. Nach Martins, ist auch mein Sattel, bzw. dessen Befestigungsschraube gebrochen. Den passenden Ersatz finden wir selbst im Laden der 1000 Schrauben nicht. Also müssen wir wieder einmal improvisieren.
Auf den Heimweg begeben wir uns dennoch nicht, sondern fahren einen kleinen Umweg (700 km), um auch Estland und dessen Hauptstadt Tallinn zu besichtigen.
Die Bewältigung der ersten europäischen Kilometer fällt uns wider erwartend schwer. Seit unserem Gepäckzuwachs durch Zelt und co sehen wir von hinten aus, wie LKT´s (Lastkrafttreter, Schwertransporte auf zwei Rädern) und haben echte Schwierigkeiten, unser Hab und Gut auf dem Gepäckträger (max. 25 Kg) zu befestigen. Eine andere Herausforderung, an die wir vorher gar keinen! Gedanken verschwendet haben, heißt Gegenwind und bläst stärker, als wir gefühlt treten können.
Der erste Radtourist den wir treffen, will uns weiß machen, dass die meisten Radfahrer die Autobahn Via Baltika benutzen, um von Riga nach Tallin zu kommen. Wir nicken brav und denken, jeder genießt seinen Urlaub ja anders! In der Überzeugung, dass wir mit „Ihm“ wohl einem „anders Genießer“ begegnet sind, planen wir unsere Strecke auf kleinen ruhigen Nebenstraßen. Nach den ersten 30 Kilometern und gefühlten 50 Kubikmetern inhalierten Staub, erkennen wir unseren Irrtum. Sämtliche Nebenstraßen sind unbefestigt. Aber wir bleiben hartnäckig. Als ein weiterer Waldweg im Sumpf endet und wir bei der Rettungsaktion unserer halb-versunkenen Räder von Mücken aufgefressen werden, geben wir uns geschlagen und fügen uns den Anders-Genießern.
Auf der Via Baltika erreichen wir die Hansestadt schnell. Der Weg hat sich gelohnt. Tallin begeistert uns noch mehr als Riga und wir können uns nicht satt sehen, an dem toll restaurierten Altstadtbild.
Leider ist Tallin auch sehr teuer. Seit diesem Jahr ist der Euro das offizielle Zahlungsmittel. Uns bleibt der Mund offen stehen, als sie auf dem Campingplatz für ein Stück Wiese zwischen heruntergekommenen Lagerhallen 22 Euro verlangen. Sehnsüchtig denken wir an das günstige Asien zurück.
Tallin ist der nördlichste Punkt unserer Europa-Reise. Von nun an heißt es rein treten, denn schon am 17. Juni wollen wir uns mit Martins Familie in Koszalin an der polnischen Ostsee treffen.